Die Impfungen der Natur I

In jüngster Zeit gewinnt das Thema Wald und Gesundheit zunehmend an Bedeutung. Mediziner, Forstwirte, Politik und Touristiker erschließen in aller Welt das Potenzial des Waldes für eine indikationsbezogene, medizinische Nutzung.

Foto: Dörte Rahming

Wie eine Spirale windet sich die schmale Panoramastraße aus dem Stubachtal im Salzburger Land aufwärts. Nahe der Seilbahnstation beginnt dann der Aufstieg. Stefan Altenberger geht voran – auf einem Weg, den oft nur er selbst sieht. Es ist vertrautes Terrain für den Ranger im Nationalpark Hohe Tauern. Für alle anderen bekommt „über Stock und Stein“ hier eine neue Dimension. „Wir haben über 300 Gipfel, die höher als 3000 Meter sind. Und in jedem Tal einen reißenden Gebirgsbach“, sagt Altenberger. Hier, 300 Höhenmeter über der Talstation, gibt es nur Wald, Felsen und ein Hochmoor mit Seen, in denen sich die Gipfel spiegeln. Hier stehen Zirben, eine Kiefernart. Die Bäume können 25 Meter hoch und 1.000 Jahre alt werden. Weiter führt der kaum sichtbare Weg – oft über federnden Boden, manchmal nah am Abgrund. „Ich wüsste nicht, dass schon mal jemand runtergefallen ist“, beteuert der junge Ranger. Bei seinen geführten Wanderungen sind Menschen jeden Alters dabei, von Kindern ab zehn Jahren bis zu Rentnern. Bedingung: festes Schuhwerk.
Dann endet der Wald, nun gehen die Blicke nach oben. Graugrün mit weißen Schneehauben scheinen die Gipfel den Himmel zu berühren. Imposant, majestätisch – und doch mit Worten nicht zu beschreiben. Etwa vier Stunden nach dem Aufbruch steht die Gruppe wieder auf ebenem Boden – beeindruckt und begeistert. Und entschlossen, eines Tages wiederzukommen.

Ein paar Täler weiter geben die Berge großzügig ihr Wasser her: Im Raurisertal sprudelt es aus 300 Quellen, sämtlich geprüft und für sehr gut befunden. Eine davon: der Rauriser Urquell, zu erreichen nach einem Aufstieg durch blühende Wiesen und kühlen Wald. Es plätschert über rundgewaschene Steine und sieht nicht nur gut aus, sondern schmeckt auch so. Hier und an mehr als 60 anderen Stellen gibt es Brunnen, aus denen Wanderer bedenkenlos trinken können. Ob man aber das „Waldgeheimnis“ ein paar Meter weiter oben antrifft, ist unsicher. Denn der kleine See verschwindet ein- oder zweimal pro Jahr – von einem Tag auf den anderen. „Er ist einfach weg und kommt irgendwann wieder, nach zwei Tagen oder nach einer Woche“, sagt Gerhard Meister, Geschäftsführer des hiesigen Tourismusverbandes. „Es gibt keine Erklärung dafür und hat nichts mit Austrocknen oder Regenfällen zu tun.“ Wenn der Teich aber da ist, lädt er ein, die Füße hineinzuhalten. Oder daraus zu trinken, denn das Wasser ist genauso klar wie aus dem Urquell.

Die Alpen im Salzburger Land – das ist die Gegend, in der Dr. Arnulf Hartl von der Paracelsus Medizinischen Privat-Universität in Salzburg forscht. Der Immunologe leitet dort das Institut für Ökomedizin und beschäftigt sich schon seit Jahren mit der medizinischen Wirkung des Waldes auf den Menschen. Darüber sprach er auch auf dem 1. und 2. „Internationalen Heilwald-Kongress ,Gesundheitspotenzial Wald‘“, die 2017 in Heringsdorf auf Usedom und 2018 im österreichischen Krems stattfanden.
Mehr dazu im zweiten Teil dieser Serie.

Dörte Rahming
Wortlaut Rostock